Tschechien News Interview: Meri Hanna Budde Mäkinen, die neue Direktorin der Deutschen Schule in Prag
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Wir möchten jedem Kind eine optimale Schullaufbahn ermöglichen

Seit Februar hat die Deutsche Schule Prag (DSP) mit Meri Hanna Budde Mäkinen eine neue Direktorin. Sie übernimmt die Leitung der Schule im 35. Jahr ihres Bestehens und möchte eigene Akzente setzen. Welche Pläne sie hat und warum sie sich für Prag entschieden hat, verrät sie im Gespräch mit Tschechien News.
Was hat Sie bewogen nach Prag, an die DSP zu gehen?
Da gab es ganz viele Motivationsgründe. Einerseits hatte ich den sehnlichsten Wunsch, international zu arbeiten. Ich bin selbst zweisprachig deutsch-finnisch aufgewachsen und habe auch meine Kinder so erzogen. Mich fasziniert die Begegnung von Kulturen und Menschen. Andererseits bin ich vollkommen beeindruckt von Prag. Das wusste ich schon vorher und auch deswegen habe ich mich gezielt hier beworben.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit internationalen Schulen?
Ich habe in vielerlei Hinsicht bereits Erfahrungen mit internationalen Schulen. Ich selbst bin zwölf Jahre lang auf die Deutsche Schule Helsinki gegangen und habe dort auch den entsprechenden Kindergarten besucht. Nach meinem Studium in Deutschland habe ich an einer Europaschule in Warstein gearbeitet und war dort maßgeblich an der Schulentwicklung beteiligt. Dazu gehörte auch die Organisation von internationalen Schulaustauschen.
Wodurch unterscheidet sich für Sie die DSP von anderen internationalen Schulen?
Die Schule hebt sich maßgeblich durch den Campusgedanken ab. Wir sind Teil eines Netzes von etwa 140 deutschen Auslandsschulen. Es gibt unter ihnen zwar auch viele mit einer Schulsäule vom Kindergarten bis zum Abitur, aber diese wird oft nicht so als Campus wahrgenommen. Das merkt man an der Gestaltung des Gebäudes, aber auch an der Haltung des Kollegiums. Hinzu kommt die geografische Nähe zu Deutschland, die Austausche auch in einem etwas kleineren Rahmen und auch Betriebspraktika ermöglicht. Die gemeinsame kulturelle und historische Verflechtung Tschechiens und Deutschlands ist natürlich nicht kleinzureden.
Die DSP feiert in diesem Jahr ihr 35. Gründungsjubiläum. Was verbinden Sie damit?
Damit verbinde ich zweierlei. Von der Deutschen Schule Helsinki kommend, klingen 35 Jahre erstmal wenig. Die feierte bereits 100 Jahre ihres Bestehens, als ich dort noch Schulkind war. Für mich klingen 35 Jahre deswegen nach einer modernen Schule, und das war bereits mein erster Eindruck von der DSP. Was ich hier an moderner Unterrichtsentwicklung und Digitalisierung kennenlerne, ist auch im Vergleich zu anderen Auslandsschulen sehr progressiv. Das drückt sich in diesen 35 Jahren, wie ich finde, gut aus. Auf der anderen Seite ist da natürlich die Jahreszahl 1990, die historisch und politisch gesehen sehr interessant ist. Sie steht für Neuanfang, Begegnung und Demokratie. Die DSP war bereits damals Teil davon, und all das erlebe ich hier auch heute noch täglich.
Welche modernen Unterrichtsformen bietet denn die DSP?
Wir haben mehrere moderne Unterrichtsformen, von denen ich ganz besonders FüPs, fächerübergreifende Projektstunden, herausgreifen möchte. Ich komme übrigens gerade frisch aus einer Hospitation und konnte mir das Konzept live ansehen. Dabei geht es um eine Zusammenarbeit der Fächer Erdkunde und Biologie, die wir derzeit in den Klassen 5 und 6 praktizieren. Wir wenden hier die Methode des „Deeper Learning“ an, die sich für mich als Lehrerin der beiden Fächer sehr überzeugend darstellt. Das ist mit einigem Organisationsaufwand für die Schule verbunden, der sich aber aus meiner Sicht auf jeden Fall lohnt. Für uns ist die Schule ein Ort, an dem mithilfe von Inhalten Kompetenzen gelehrt und gelernt werden. Wir schreiben personalisiertes Lernen sehr groß, und diese Aspekte finden sich gerade im FüPs-Unterricht wieder. Es ist faszinierend zu sehen, wie gerade Kinder der fünften und sechsten Klasse drei Stunden lang selbst motiviert an verschiedenen Aufgaben und Stationen arbeiten, natürlich immer unter Anleitung und in Begleitung unserer Lehrkräfte.

Wie geht die DSP mit der Digitalisierung um?
Die DSP geht mit der Digitalisierung besonnen und mit offenen Augen um. Das bedeutet, dass wir uns der Vorteile bewusst sind, ohne die Nachteile zu ignorieren. Wir gehen das konstruktiv an und nutzen digitale Prozesse nicht nur in der Verwaltung und Datenverarbeitung, um Arbeitsprozesse zu erleichtern. Wir geben auch unseren Schülerinnen und Schülern passende Werkzeuge an die Hand, mit denen sie altersgerecht selbstgesteuert lernen können. Das beinhaltet auf der einen Seite einen finanziellen Input der Schule, den wir gerne leisten, andererseits aber natürlich auch immer die passende Medienerziehung. Dabei legen wir Wert darauf, dass unsere Schülerinnen und Schüler ihre Schul-iPads sinnvoll einzusetzen lernen. Dazu gehört auch eine gewisse Erziehung hinsichtlich des Verhaltens in den sozialen Medien und der Nutzung der Ressourcen für die Vorbereitung von Unterrichtsprojekten. Als digitale Modellschule stand die DSP damit Pate für ein Konzept der deutschen Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Anhand der Erfahrungen der DSP wurde eine Blaupause für Digitalisierung an allen deutschen Auslandsschulen geschrieben. Aktuell beteiligen wir uns auch wieder an einem Netzwerkprojekt in diesem Zusammenhang.
Gibt es denn an der DSP nur Deutsch?
Wir verstehen uns als Begegnungsschule. Das beinhaltet selbstverständlich neben der vornehmlichen Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur auch die tschechische Sprache und Kultur. Nichtsdestotrotz interpretieren wir das Wort Begegnung noch weiter und sind täglicher Begegnungsort für viele Schülerinnen und Schüler aus mehr als zwanzig ganz unterschiedlichen Ländern. Deswegen wird Fremdsprachlichkeit hier insgesamt sehr hochgeschrieben. Man merkt das schon im Lehrerzimmer, wo wir englische Muttersprachler aus Amerika und Australien haben, aber auch Französinnen und natürlich Deutsche und Tschechinnen und Tschechen.

Kann man sein Kind auch nach dem Kindergarten noch anmelden?
Ja, das ist natürlich möglich. Wir behandeln auch während der ganzen Schulzeit hier alle Schülerinnen und Schüler individuell. Bei jeder Anmeldung bedeutet das ein individuelles Gespräch, bei dem einerseits überprüft wird, ob alle Vorgaben erfüllt werden, andererseits wird aber auch darauf geschaut, ob das Kind eine vielversprechende Schulkarriere bei uns erwarten kann. Insofern gibt es da nicht nur in Sachen Zeugnisse und Sprachfähigkeit Gesprächsbedarf, sondern auch auf einer viel breiteren Basis. Wir möchten jedem Kind eine optimale Schullaufbahn ermöglichen.
Wie verändert der Neubau in Zukunft den Schulcampus der DSP?
Mit der Chance, ein neues Gebäude für Grundschule und Kindergarten zu bekommen, sind wir in der glücklichen Position, nicht nur neuen Raum zu schaffen, sondern auch unseren Leitgedanken vom modernen Unterricht in die Architektur einfließen zu lassen. Das Gebäude ist sehr sorgfältig mit Architekten und Pädagoginnen und Pädagogen gemeinsam entwickelt worden. Dabei sind nicht nur die auf den ersten Blick vielleicht klassisch anmutenden Klassenräume berücksichtigt worden. Es gibt auch kleinere Räume, wo die Kinder nicht nur an Tisch und Stuhl sitzen, sondern sich auch hinlegen können, beziehungsweise auf Kissen oder ergonomischen Möbeln sitzen können. Sie können sich auch in Gruppenräume zurückziehen und dort ungestört lernen. Wir haben für viele Räume Glaswände eingeplant, die einen Blick über den Tellerrand zu den Nachbarklassen ermöglichen, aber auch bei Bedarf mit Vorhängen abtrennbar bleiben. Wir haben die unfassbar gute Möglichkeit voll genutzt, die Konzepte, die wir bereits erarbeitet haben, baulich zu berücksichtigen.
Wo setzen Sie die Schwerpunkte für Ihre Arbeit?
Das ist die Weiterentwicklung von mehreren Schwerpunkten der Schulentwicklung gleichzeitig. Was aktuell am wichtigsten ist, weil es auch die anderen Punkte betrifft, ist die Weiterentwicklung und Evaluation des personalisierten Lernens. In dem Zusammenhang geht es natürlich auch um die Digitalisierung. Gleichzeitig scheint mir die Demokratieerziehung in diesen Tagen besonders wichtig. Auch das spiegelt sich in den beiden Schwerpunkten wider und ist verbunden mit kulturellem Austausch, der wichtiger ist denn je.
Was bedeutet für Sie persönlich die Arbeit als Schulleiterin?
Für mich bedeutet die Arbeit als Schulleiterin der DSP die unfassbare Chance, all die genannten Dinge wirklich aktiv mitzubegleiten und auch eigene Akzente zu setzen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Fähigkeiten, kulturellen Hintergründe und die Sprachen der an der DSP Mitwirkenden zusammenzubringen und eine Gemeinschaft daraus zu bilden.
Die Deutsche Schule Prag gibt es seit 1990. Sie ist eine anerkannte deutsche Auslandsschule, die sowohl von der Bundesrepublik Deutschland als auch vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport der Tschechischen Republik unterstützt wird. Weitere Information zur Deutschen Schule Prag finden sie unter www.dsp-praha.org.
Deutsche Schule Prag
Schwarzenberská 700/1, Prag 5