Prag ist einfach eine unglaublich schöne Stadt
„Ich finde Tschechinnen und Tschechen sind ganz besonders sympathische Menschen,“ sagt die österreichische Botschafterin Bettina Kirnbauer im Gespräch mit Tschechien News und vergleicht Prag mit Wien, beschreibt die wichtigsten Themen, die beide Nachbarländer verbindet und verrät, was Österreich von Tschechien lernen kann.
Ihre Heimatstadt ist Wien, in Prag sind sie jetzt das dritte Jahr: Wie finden Sie Prag?
Wunderschön. Prag ist mit seiner historischen Substanz wirklich ganz einzigartig in Mitteleuropa. Und man merkt auch, wie viel Reichtum immer in Böhmen war und was für tolle Architekten hier gearbeitet haben. Aber auch, mit was für einem Qualitätsbewusstsein das instand gehalten wird. Wien hat wieder seine eigenen Reize, aber Prag ist einfach eine unglaublich schöne Stadt.
Erinnert sie Prag manchmal an Wien?
Ja sicher. Die beiden Städte haben sehr viel gemeinsam, nicht nur architektonisch. Auch atmosphärisch, im Lebensgefühl und in punkto Mentalität merkt man sehr oft, dass wir eine lange gemeinsame Vergangenheit haben und Nachbarn sind.
Wie schaut die tagtägliche Arbeit der österreichischen Botschafterin in Prag aus?
Das schöne an dem Beruf ist, dass er so vielfältig ist. Tschechien ist ja ein Nachbarland von Österreich und wir haben unglaubliche viele Verbindungen auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Ein genereller Arbeitsschwerpunkt ist auch, zu beobachten und zu verstehen versuchen, was sich in Tschechien tut und wo man noch besser zusammenarbeiten kann. Wir schauen auch immer, was Österreich von Tschechien lernen kann. Ein weiterer Teil der Arbeit ist natürlich auch immer alle Gelegenheiten zu nutzen, um Österreich den Menschen in Tschechien nahezubringen, zu erklären. Als Diplomatin ist man auch immer ein bisschen eine Art Übersetzer.
Was kann denn Österreich von Tschechien lernen?
Was beeindruckend ist, ist wie Tschechien die große Anzahl an ukrainischen Flüchtlingen aufgenommen hat. Das ist umso bemerkenswerter, als es ja gar nicht so viele Erfahrungswerte im Umgang mit vielen Flüchtlingen gegeben hat. Während der Jugoslawienkriege gab es zwar eine Zuwanderung, aber in so einem Umfang hat es das nie gegeben.
Was uns beim Thema russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine auch verbindet, ist das große gemeinsame Interesse von Österreich und Tschechien der Ukraine zu helfen. Hier sind beide Länder sehr aktiv. Die Ukraine braucht ja extrem viel an solidarischer Unterstützung, politisch, humanitär-finanziell und militärisch. Im militärischen Bereich hat Österreich aufgrund seiner Verfassung seine Limitationen. Aber in allen anderen Bereichen tut Österreich unglaublich viel und hat bisher bilateral mehr als 150 Millionen Euro in die Unterstützung der Ukraine investiert. Und dann kommen noch multilaterale und europäische Beiträge und Leistungen dazu.
Was sind so die wichtigsten österreichisch-tschechischen Themen?
Ein wichtiges Thema ist die Verkehrsinfrastruktur, die Anbindung von Bahn und Straße. Da geht es langsam voran. Aber die Dauer der Reisezeit mit der Bahn zwischen Wien und Prag ist immerhin auf vier Stunden zurückgegangen. Wie wichtig das Thema ist, sieht man auch an den Plänen, die Verbindung von Wien nach Prag und dann weiter von Prag nach Berlin auf Hochgeschwindigkeit auszubauen. Zwei Stunden von Wien nach Prag wird dann schon eine fantastische Leistung sein.
Ein weiteres Thema ist Energie. Einerseits erneuerbare Energien, andererseits Kernkraft. Österreich hat acht Nachbarländer und in den meisten davon stehen unmittelbar in Grenznähe Kernkraftwerke. Wenn da was passieren würde, wäre Österreich natürlich stark betroffen. Dazu kommt, dass nach der Katastrophe von Tschernobyl aufgrund der Wetterbedingungen die Gegend um Oberösterreich unglaublich stark betroffen war. Wer das miterlebt hat, vergisst das nicht so leicht.
Heute haben wir aber sehr gute Kontakte, der Informationsaustausch mit Tschechien funktioniert, die tschechischen Experten und Expertinnen haben die Telefonnummern ihrer österreichischen Kolleginnen und Kollegen, es gibt einen regelmäßigen, proaktiven Austausch. Da hat sich viel gebessert.
Energie und Verkehr sind natürlich Themen, die nahe liegen. Wie sieht es mit Kunst aus?
Kürzlich hatte ich ein Treffen mit der Generaldirektorin der Nationalgalerie Prag. Es ging um eine Ausstellung zum Thema Aquarell im 19. Jahrhundert zwischen Prag und Wien. Die Ausstellung wird im September eröffnet. Das war sehr interessant, die Nationalgalerie hat eine beeindruckend qualitätsvolle Sammlung von Aquarellen. Und bei der Sichtung wurde klar, wie viele Bezugspunkte es gibt. Aquarellisten, die in Tschechien Ausbildung genossen und dann in Österreich gelebt haben, Österreicher, die sich tschechischer Sujets angenommen hatten.
Gab es ein Ereignis in letzter Zeit, an das Sie sich gerne erinnern?
Immer wieder, wenn hochrangige Delegationen kommen, ist der Botschafter besonders gefragt. Ein Höhepunkt war der Besuch des österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen in Tschechien im März. Es war ein Abschiedsbesuch beim Präsidenten Miloš Zeman. Aber es kam auch zu einem Treffen mit Petr Pavel kurz vor dessen Amtsantritt. Es war geplant, dass das Treffen mit Petr Pavel in unserer Residenz stattfindet. Das wäre praktisch gewesen, weil diese so nah an der Prager Burg liegt. Aber kurz vor dem Treffen wurde entschieden, doch lieber in ein Lokal zu gehen. Wir hatten also plötzlich die Aufgabe, ein passendes Lokal identifizieren. Aber bei so einem Treffen kann man ja nicht in jedes Lokal gehen. Es muss örtlich zum restlichen Programm passen, es gibt sicherheitstechnische Überlegungen, es muss genug Platz für alle Anwesenden haben, etc. Mein Lieblingslokal ist der Schwarze Ochse (U černého vola) beim Außenministerium. Aber es hat nur einen Raum, was Probleme beim Personenschutz bereiten könnte. Dann haben wir im U Glaubiců nachgefragt, aber die haben gesagt: Nein, alles ausgebucht. Dann haben wir gesagt, dass das für den österreichischen Bundespräsidenten ist, der gerade Prag besucht. Da ist dann doch ein Tisch frei geworden. Wir haben allerdings nicht gesagt, dass auch Präsident Pavel dabei sein würde, das hätte gleich die Runde gemacht. Der Eigentümer vom Lokal war dann selbst dort, weil er vom Bundespräsidenten wusste und war dann doppelt erfreut, als er beide Staatsoberhäupter in seinem Lokal hatte.
Österreich und Tschechien haben eine sehr lange gemeinsame Geschichte, die nicht nur positiv war. Ist die Vergangenheitsbewältigung noch ein Problem?
Einer der berührendsten Momente für mich war, als im März 2020 in Theresienstadt von den beiden Parlamentspräsidenten Wolfgang Sobotka und Markéta Pekarová Adamová eine Gedenktafel für die dorthin deportierten jüdischen Österreicherinnen und Österreicher enthüllt wurde. Die Botschaft und das Österreichische Kulturforum waren bei der Verwirklichung dieses Festakts behilflich. Das war wirklich eine sehr bewegende, würdige Zeremonie. Personen aus Österreich waren die drittgrößte Gruppe von Gefangenen im Ghetto, mehr als fünfzehntausend. Das ist ein ganz starker Bezugspunkt und umgekehrt waren ja auch alle Kommandanten von Theresienstadt aus Österreich, was ein weiterer trauriger Bezugspunkt ist, aber auch das macht das Gedenken ja so notwendig.
Ein weiteres Thema ist die Staatsbürgerschaft nach § 58c Staatsbürgerschaftsgesetz, die den Nachkommen von Opfern des Nationalsozialismus die österreichische Staatsbürgerschaft ermöglicht, ohne ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen. Viele Menschen in unterschiedlichen Ländern machen davon Gebrauch. Wir haben auch einige Fälle hier in Tschechien. Sich mit diesen Menschen zu treffen, ist immer ein besonderer Moment für die Botschaft und für mich. Viel zu viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich als Täter an den Verbrechen des Nationalsozialismus beteiligt. Das kann man nicht ungeschehen machen. Aber man kann zeigen, dass einem das bewusst ist und versuchen, die Hand zur Versöhnung auszustrecken. Und wir sind dann auch sehr dankbar, wenn das Angebot angenommen wird.
Um wie viele Menschen handelt es sich in Tschechien?
Wir hatten in den drei Jahren über dreißig solcher Fälle. Auf der anderen Seite gehören zur Vergangenheitsbewältigung auch der Brünner Todesmarsch und die Vertreibung der Sudetendeutschen und der Sudetenösterreicher:innen. Auch dieses Jahr war ich wieder beim Versöhnungsmarsch, bei dem der vielen, vielen Menschen aus Brünn gedacht wird, die 1945 zur österreichischen Grenze getrieben wurden und insbesondere auch denen, die den Qualen des Marsches erlegen sind. Die Veranstaltung war berührend und hat gezeigt, dass sich auch hier viel getan hat. Bei der Schlussveranstaltung waren unter den Rednern der Kulturminister Martin Baxa und der Umweltminister Petr Hladík. Man hat schon das Gefühl, dass das Thema auch von der tschechischen Seite sehr ernst genommen wird.
In diesem Zusammenhang ist das österreichisch-tschechische Geschichtsbuch erwähnenswert, das man ohne Übertreibung als Meilenstein bezeichnen kann. Das Besondere ist, dass es von tschechischen und österreichischen Historikern gemeinsam geschrieben wurde. Zu gewissen Kapiteln gab es harte Diskussionen, die aber schlussendlich zu einer gemeinsamen Sicht geführt haben. Das Wichtige ist aber natürlich, dass das Geschichtsbuch in den Schulunterricht einfließt.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit tschechischen Stellen, mit NGOs, mit Behörden, mit der Regierung?
Sehr pragmatisch und ausgesprochen angenehm. Tschechien hat sehr viele tolle, qualifizierte, offene Leute. Und auch viele hochqualifizierte Frauen, die manchmal ein bisschen im Hintergrund stehen. Aber ich nehme an, sie werden stärker in den Vordergrund treten. Das kann man Tschechien nur wünschen.
Übrigens, der EU-Vorsitz Tschechiens war wirklich beeindruckend professionell. Alles war großartig organisiert. Auch für die österreichische Botschaft war das natürlich eine herausfordernde Zeit, mit all den Minister-Delegationen. Dem tschechischen Vorsitz ist es gelungen, sich einerseits in den Dienst der europäischen Sache und der Konsenssuche zu stellen, aber gleichzeitig auch inhaltliche Themen weiterzubringen, die ihm wichtig waren.
Welche Orte in Tschechien gefallen Ihnen außer Prag?
Unglaublich schön finde ich Teltsch (Telč). Brünn und Budweis sind wichtige Partnerstädte. Auch Zlín ist beeindruckend. Und auf seine eigene Art gefällt mir auch Aussig (Ústí nad Labem). Es ist interessant, wie dort die unterschiedlichen Architekturen aufeinander stoßen. Und die Ausstellung „Naši Němci – Unsere Deutschen“ im Muzeum Ústí fand ich als Österreicherin sehr berührend.
Was sind Ihre tschechischen Lieblingskünstler, bzw. Lieblingswerke?
Aus meiner Jugend erinnere ich mich, als in Wien am Akademietheater Václav Havel und Pavel Kohout aufgeführt wurden. Damals las ich auch das Buch Die Henkerin von Kohout. Zuletzt hat mich Radka Denemarkovás Buch Stunden aus Blei (Hodiny z olova) beeindruckt. Es hat mich sehr gefreut, als das Klangforum Wien - ein ganz toller Klangkörper - das Stück Lunapark von Jana Vöröšová während des heurigen Prager Frühlings uraufgeführt hat. Und dann gibt es noch David Černý, dessen Werke ich immer wieder bewundert habe.
Ich finde Tschech:innen sind besonders sympathische Menschen. Der Humor, der Schmäh ist in Prag vielleicht noch ein bisschen dunkler als in Wien. Und der Pragmatismus, mit dem die Menschen in Tschechien bereit sind Probleme und Konflikte zu lösen, ist wirklich bemerkenswert.
Für das Gespräch bedankt sich David Binar (Tschechien News).
Österreichische Botschaft Prag
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