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Ein poetisches Denkmal in der Natur: Der Poesiomat in Králův mlýn erzählt von Vergangenheit und Zukunft

Poesiomaten werden seit 2015 vom Verein Piána na ulici und seinem Gründer Ondřej Kobza in der Landschaft und in den Straßen tschechischer Städte aufgestellt

Ein poetisches Denkmal in der Natur: Der Poesiomat in Králův mlýn erzählt von Vergangenheit und Zukunft
Foto: Petr Mikšíček | Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds

Auf dem einsamen Kamm des Erzgebirges steht seit kurzem ein außergewöhnliches Kunstwerk: Ein poetisches Rohr mit einer Kurbel, das die Geschichten und Magie des verlassenen Dorfes Königsmühle zum Leben erweckt. Dieser Poesiomat, ein innovatives Projekt des Vereins Piána na ulici und des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, kombiniert Technologie und Poesie, um der Region eine Stimme zu verleihen und ihre vergessene Kultur neu zu beleben.


Es sieht aus wie ein Entlüftungsrohr eines Schiffes oder einer U-Bahn, steht jedoch fernab der Zivilisation auf dem Kamm des Erzgebirges: ein poetisches Rohr mit einer Kurbel, das singt, dichtet und von dem Ort erzählt, an dem es steht – von den Menschen und ihren Schicksalen, von Sprache und Kultur, von der Magie des Ortes. Seit Samstag, dem 24. August, wird das verlassene Dorf Králův mlýn (Königsmühle) im Erzgebirge von einem Poesiomat zum Erklingen gebracht. Der poetische Sprechapparat steht hier dank eines gemeinsamen Projekts des Vereins Piána na ulici (Straßenpianos) und des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und wurde von Besuchern des jährlich stattfindenden Landart-Festivals Königsmühle feierlich enthüllt.


Poesiomaten werden seit 2015 vom Verein Piána na ulici und seinem Gründer Ondřej Kobza in der Landschaft und in den Straßen tschechischer Städte aufgestellt. Ursprünglich handelte es sich dabei vor allem um eine Art Poesie-Jukebox. „Im Laufe der Jahre hat sich das Konzept des Poesiomaten jedoch weiterentwickelt. Heute geht es uns hauptsächlich darum, den Genius loci und das schwindende Gedächtnis eines Ortes, die spezifische lokale Kultur, einzufangen. Und dies in vielfältiger Form und Klanggestalt“, erläutert Projektinitiator Kobza.

Ein poetisches Denkmal in der Natur: Der Poesiomat in Králův mlýn erzählt von Vergangenheit und Zukunft
Foto: Petr Mikšíček | Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds

Neben der Weiterentwicklung des Konzepts hat der Poesiomat auch eine technische Evolution durchlaufen. „Früher war ein Stromanschluss erforderlich. Jetzt hat der Poesiomat eine Kurbel, mit der der Strom von jedem Besucher selbst erzeugt wird. Das hat uns auf die Idee gebracht, die Poesiomaten in der Landschaft und an peripheren oder anderweitig verlassenen Orten aufzustellen“, beschreibt Kobza.


Lieder, Sagen oder die Erzählungen der letzten einstigen Bewohnerin – der neue Poesiomat in Králův mlýn dichtet und spricht von Vergangenheit und Zukunft dieser verlassenen Ortschaft.


Im Jahr 2022 hat sich Kobza mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds zusammengetan. Gemeinsam wählten sie sieben Kirchen in den ehemaligen Sudetengebieten aus und begeisterten auch die Einheimischen für die Idee, dort Poesiomaten aufzustellen. Finanzielle Unterstützung für das Projekt kam zudem von der Stiftung PPF. „Die Poesiomaten bringen in die vormals von der Vertreibung gezeichnete Landschaft die Sprache und die Kultur derjenigen zurück, die diese Orte jahrhundertelang bewohnten und pflegten und nach dem Krieg verlassen mussten. So können wir auch heute den lokalen Legenden, Liedern, Gedichten und Erinnerungen lauschen“, sagt Tomáš Jelínek, Geschäftsführer des Zukunftsfonds. „Gleichzeitig würdigen wir damit auch die Menschen, die sich heute um diese Orte kümmern, ihnen neues Leben einhauchen und so das historische Gedächtnis der Grenzregion wiederherstellen“, fügt er hinzu.

Ein poetisches Denkmal in der Natur: Der Poesiomat in Králův mlýn erzählt von Vergangenheit und Zukunft
Foto: Petr Mikšíček | Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds

Das Projekt aus dem Jahr 2022 wurde 2023 mit der Installation eines achten Poesiomaten bei der Wallfahrtskirche Hejnice (Haindorf) erfolgreich fortgeführt. Der neunte Poesiomat steht nun im verlassenen Dorf Königsmühle im Erzgebirge.


Königsmühle war allerdings nie ein Wallfahrts- oder anderweitig bedeutsamer Ort. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in dem abgeschiedenen Dorf nur einige Dutzend Einwohner. Einen neuen Impuls erhielt der Ort, als er Jahrzehnte nach der Abschiebung der einstigen deutschen Bevölkerung von dem Dokumentarfilmer und Erzgebirgskenner Petr Mikšíček „entdeckt“ wurde.


„Königsmühle hat einen besonderen, attraktiven Zauber. Ich habe ihn vom ersten Moment an gespürt, als ich in dieses verfallene, von Pflanzen überwachsene Dorf kam. Und auch viele andere Menschen spüren ihn. Anders kann ich mir nicht erklären, warum alljährlich immer wieder mehrere hundert Menschen nach Königsmühle kommen“, sagt Mikšíček unter Verweis auf das dortige Landart-Festival, das er gemeinsam mit Freunden vom Verein DoKrajin schon seit dreizehn Jahren organisiert. „Bei unserem Festival geht es um die Begegnung von Deutschen und Tschechen. Es geht um Erzählen, um Geschichte, Natur und Kunst. Um Vergangenheit und Zukunft. Um Dauer und Vergänglichkeit“, fügt er hinzu. Zum diesjährigen Jahrgang kamen fast achthundert Menschen.


An der Organisation des Landart-Festivals Königsmühle beteiligen sich einige Dutzend Freiwillige. Finanziell wird das Festival auch vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds gefördert. „Beim Festival in Königsmühle vermischen sich ganz selbstverständlich die deutsche und tschechische Sprache, Grenzen und Zeit spielen hier keine Rolle, man trifft Künstler aus Chomutov ebenso wie aus Annaberg und hört Geschichten von heute und früher. Deshalb schätzen wir die Aktivitäten von Petr Mikšíček und dem gesamten Verein DoKrajin sehr“, bedankt sich Tomáš Jelínek, Geschäftsführer des Zukunftsfonds.


„Die deutsch-tschechische Grenzregion ist voller Geschichten, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Man braucht sich nur die Erzählungen der letzten gebürtigen Bewohnerin von Königsmühle, Frau Rosemarie Ernst, anzuhören, die auf dem Fest ihren 80. Geburtstag feierte“, so Jelínek.


Neben den authentischen Erzählungen der letzten einstigen Bewohnerin erklingen aus dem Poesiomat in Königsmühle auf Deutsch und Tschechisch erzgebirgische Sagen, Lieder über die erzgebirgische Schutzpatronin Marzebilla, Gedichte über das verlassene Dorf oder auch ein Märchen im Dialekt der deutschen Erzgebirgler.


„Der Poesiomat steht zudem direkt im Elternhaus von Frau Ernst, das heißt an dem Ort, an dem sie geboren wurde und an dem sie jetzt mithilfe des Poesiomaten zu jeder Tages- und Jahreszeit Besuchern ihre Geschichte erzählen kann“, sagt abschließend Kobza, dessen Poesiomaten Passanten in zahlreichen Städten der Tschechischen Republik wie auch im Ausland ansprechen.



Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds

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